Segeln im Herzen Italiens – Lago di Bolsena
(von Hartmut Bachstädter)
Am Anfang war die Idee! Da war der Wunsch der Familie, den Sommerurlaub im Süden, am Meer, zu verbringen; und da war der Micro „Pipoca“, den ich zwar jetzt halbwegs regattaklar hatte, der aber dennoch ein tourentaugliches Schiff mit 4 Kojen für Kurztörns war. Und der lachte mich sowieso immer an: „unter den Kleinsten bin ich der Größte!“.
Also galt es Überzeugungsarbeit zu leisten: den Micro können wir mitnehmen – unterwegs als Campingwagen-auf-Trailer nutzen, und – wo auch immer wir sind – kann er ja einfach in ein Wasser gelassen werden (-das: damit ich wenigstens auch meinen Spaß habe, verschwieg ich erst einmal – ich bin –zugegeben- ein ewig nervender Strandurlauber).
Und Freude hatten uns von ihrem „Geheimtipp“ vorgeschwärmt: Italien – da gibt es den Lago di Bolsena (hatte ich noch nie gehört!). Absolut idyllisch! (Idyllisch? In Italien? Nahe Rom?)
Aber erst einmal in Google nachgeschaut – also: Vulkansee, 114 qkm, 15x12km Oval, tief, mit 2 Inseln, eine Handvoll Campingplätze, und das 90km nordöstlich von Rom, 45km zum Mittelmeer, Orviedo, die Toskana und jede Menge weiterer Kultur in der Nachbarschaft – und das nicht römisch überlaufen?
Also, das machen wir! Ende Juli ist noch Vorsaison – wir brauchen noch nicht einmal Plätze vorbestellen.
Die Fahrt war einfach: Köln, Insbruck, Italien, erste Übernachtung am Gardasee (o Gott ist das voll!), weiter durch die Toskana, Florenz, Orviedo und dann ab durch die Berge. Die letzten 20km nach Bolsena sind die anspruchvollsten, Eine gut ausgebaute Passstraße. Ab dem Pass kann man in den Vulkankessel schauen – da liegt er, der Lago di Bolsena, umrandet von Palmen, Olivenhainen, Wäldern und Feldern. Rundherum grün! Und das im Einzugsbereich von Rom?
Bolsena mit seinem erhaltenen Tempelritterburg-Stadtkern und seiner überschaubaren Anzahl kleiner Hotels und Restaurants, ist einfach hübsch und sehr gemütlich. Campingplätze gibt es von „sehr familiär“ bis „rührig“, und das hatten wir uns mit dem 4 Sterne-Campingplatz „Lido“ ausgesucht; mit viel Unterhaltung für unsere Kids (14/15) und Sport- und Tennisplätzen für uns alle, und der liegt südlich, 2km vom Stadtkern. Lido ist auch der größte Campingplatz am See, mit 670 Stellplätzen und einigen Ferienwohnungen ist er so groß, wie alle anderen zusammen. Alle Plätze sind unter Bäumen, alles ist gut organisiert, jede Parzelle hat genug Raum, Restaurant, Schwimmbad, gute sanitäre Anlagen, einen sauberen Strand über die ganze Platzlänge – aber beeindruckt hat mich die Sauberkeit. Täglich wurde das Gelände gesäubert und mit Tankwagen wurden alle Wege gesprenkelt um keinen Staub zuzulassen. Einen Platz bekamen wir sofort – wir konnten sogar aussuchen, ob wir mehr in den italienischen- oder den deutschen Teil wollten! Die Autos kommen auf einen separaten Parkplatz – auch im Schatten von Bäumen .
Für Boote gibt es seitwärts vor dem Strand ein Bojenfeld. Bei der Stadtverwaltung mietet man diese Bojen für ca. 80Euro/Woche und kann dann sein Boot dort sicher anlegen (nur verrate mir Einer, wie man trocken an sein Boot kommt, selbst wenn es nur 10m vom Ufer an der Muring hängt?). Aber eine Slipanlage, oder gar einen Kran, gibt es nur im Stadthafen von Bolsena. Und das ist sogar ein einfacher, aber moderner Hafen, der „Bolsena Porto“mit einem recht jungen Hafenmeister, umtriebig und freundlich, man spricht Englisch und er hat uns sofort einen Platz im Hafen geschaffen (zum Preis von 10 Euro/Tag), an dem wir die 2 Wochen liegen können. Also aufriggen, slippen und direkt einen Probeschlag gemacht. Klasse!
Der Lago di Bolsena überrascht in vieler Hinsicht. Zum einen ist das Klima viel gemäßigter als an der benachbarten Küste, zum Andern verwundert das unverbaute grüne Ufer zu allen Seiten, keine Hotelburgen, keine karge Landschaft, nur eine Handvoll erkennbarer Baustellen rund um den See, ab und zu eine kleine, private Hütte mit kleinem Bootssteg und dann das Wasser: sauber und klar. Es werden Tauchkurse an den Inseln angeboten, und das mit Recht.
Noch einmal: der Lago ist 80km Luftlinie von Plaza del Populo in Rom entfernt. Aber es zieht den Römer offenbar in den totalen Trubel. Am Wochenende nach Ostia ist wohl ein Albtraum. („…die spinnen, die Römer!“)
Um so besser für den Lago. Das Segeln ist herrlich, während der Woche findet sich oft nur eine Handvoll Segler auf dem weiten Rund. Wer die Vorfahrtsregeln beherrscht, weiß schlicht zu viel. Auch wenn am Wochenende mehr Verkehr herrscht, wird „Regelmäßig“ improvisiert. Italienisch halt.
Wenn es im August voll wird kann die Bootsdichte wohl auch auf 2-3 Boote / qkm ansteigen.
Die Navigation ist einfach – fast zu einfach. Man fährt halt nach Sicht. Der See ist rund, ohne Untiefen, und hat an der Südwestseite einen 2.Ort „Marta“, ein paar kleine Buchten und, vorgelagert 2 Inseln, die immer wieder eine Anfahrt wert sind. Man findet immer in Lee eine Ankermöglichkeit, …und dann heißt es –Wasser, Schwimmen, Tauchen, oder einfach an Bord relaxen.
Den Wind lernt man schnell kennen. Bei strahlendem Sommerwetter kommt vormittags ein Seewind aus NE mit 2-3 Bft, geht – besonders in Seemitte – mittags zwischen 12 und 14 Uhr gerne in eine totale Siesta über (Vorsicht wenn 30 und mehr Gerade vorherrschen und ein Micro ja kein Biminitop aufbietet), um dann aus SW wieder aufzutauchen, gegen 17-18 Uhr dann leicht auf 4-5 Bft auffrischend. Dann geht bei einer Wellenhöhe von 0,5m die Post ab, wenn man vor dem Wind nach Bolsena zurück rauscht. Wir rutschten, selbst baff, mit einem Schnitt von 9,5 kn unter Spi, ganz sanft über den ganzen See, nur 2 Finger sensibel an der Pinne. Wind und Welle sind dann über lange Strecken so gleichmäßig, dass man rein aus Vergnügen diesen Heimkurs sucht. Das ist Segeln satt!
Aus Sicherheitsgründen war ich froh, Raketen dabei zu haben. Wie gesagt, oft ist man fast alleine auf diesem See – der Vorteil birgt den Nachteil, wenig Hilfe in der Nähe zu finden. Aber vom Ufer wird man in Not dann immer gesehen. Gewitter können Starkwind mit Fallböen aus östlichen Richtungen bringen, jedoch sind sie gut vorhersehbar. Der Tramontana ist ein Starkwind aus NE, der auch 6-7Bft erreicht und 1-2 Tage durchwehen kann. Wir haben täglich unseren Hafenmeister befragt und verlässliche Vorhersagen bekommen. Als der Tramontana tatsächlich kam, waren wir zufällig mit unseren Kindern 2 Tage in Rom. Wie sich dieser Urlaubsort sowieso für interessante Ausflüge ins Umland anbietet. Ob zu keltischen Kultstätten zum Geschichtsstöbern, eine kulinarische Erkundung der ur-sprünglichen Orte auf den Hügeln im nahen Umfeld (Montefiascone, Valentano, Orvieto..),
oder in die nahen Landschaften der Toskana und Umbriens. Und natürlich, um dem Papa in Rom einen Besuch abzustatten, oder sich halt im Sand der unendlichen Strände an Italiens Westküste einzugraben.
Urlaub in Italien – habe ich noch nie so spannend und erholsam erlebt. Und die Fahrt mit dem Gespann dauert zwar etwas länger, aber auch nur etwas! Und wenn es nicht die Mecklenburger Seen und viele weitere Traumziele gäbe, würde ich sofort wieder dorthin fahren. Und so ein Micro ist genial für solche Touren.
Infos:
Fahrt: Köln – Insbruck – Bolsena = 1350 km
Fahrkosten/Maut: ca 45 Euro / Strecke. Über die Schweiz ist es trotz Vignette günstiger.
Camping: zB Lido: www.camping.it/germany/lazio/lido/ (Preise sind angegeben)
Andere Camping:
http://maps.google.de/maps?hl=de&q=camping%20bolsena&aql=&gs_rfai=&um=1&ie=UTF-8&sa=N&tab=wl
Hafen Bolsena: Bolsena Porto, Servicio Portuali, Simone -339 754 2119
Vorher anrufen lohnt; manchmal wird vom örtlichen Yachtclub eine Regatta veranstaltet – wir sind da herzlich willkommen.
Viel Spaß , wünscht Hartmut Bachstädter Ger 204 Pipoca