Gestern – Heute – Morgen. Die Micro-Geschichte – Wegpunkte.
Die Entwicklung der Micros verlief stets in Schüben. Die Urmutter aller Micros war die Corsaire. Von ihr sind die Grunddaten für neue Micros übernommen worden. 1954 durch Jacques Herbulot gezeichnet, wurden bis heute über 4000 Schiffe verkauft. Das Schiff war am Anfang als Schulungsboot für den Seesegelnachwuchs gedacht. Es gibt bis heute eine eigene Klassenvereinigung in Frankreich und der Schweiz, und es werden weiterhin neue Schiffe gebaut, die sowohl die Microregatten, wie auch die getrennt veranstalteten Corsaire-Regatten mitsegeln.
Die Geburt der eigentlichen Microklasse fand im Winter 1976 in Frankreich statt. Oliver le Carée, Redakteur der Zeitschrift „Bateaux“ war ihr Gründer. Mit Sponsorengelder aus der Wirtschaft und Unterstützung von Frankreichs großen Sportbootwerften gelang es ihm, die Klasse ins Leben zu rufen und 1977 den ersten Microcup in Lorient zu organisieren. Ziel war es, ein Klasse für den Einstieg in das Regatta- und Fahrtensegeln mit Yachten zu schaffen. Danach übernahm der französiche Seglerverband die Betreung. Yachtwerften wie Edel, Jeanneau, Challenger, Kelt und viele andere mehr bauten Serienmicros, die in den 80er Jahren den Europäischen Markt eroberten. Ab 1981 fand der Micro auch nach Deutschland. Die sich 1981 bildenden Deutsche Micro Klassenvereinigung hatte Anfangs vorallem Segler in der Nähe der französischen Grenze. Auf den Regattabahnen der 80er Jahre trafen teilweise weit über 100 Schiffe auf der WM aufeinandern. Vorallem die Neptune bei den Serienschiffen und die Lucas bei den Prototypen waren dabei kaum schlagbar.
Anfang der 90er Jahre wurde die Nachfrage auf dem westeuropäischen Markt schwächer. Der Boom der schnellen Gennacker-Sportboote und die gleichzeitige Konkurrenz von sehr ähnlichen Kajütbooten, die aber nicht in die Micro-Vermessung passten, wie z.B. die Dehler 18, führten zu einem Abflauen auf dem französischen und deutschen Markt, der sowieso weitgehend gesättigt war. In Großbritannien und Italien verschwanden die Micros als aktive Klasse fast völlig und hielten sich nur in einigen Hot Spots, wobei beide Länder in den letzten Jahren den Micro wiederentdecken.
Gleichzeitig entdeckte aber der politische auftauende Osten Europas den Micro für sich. Seit 1985 wurden in Polen Microcupper gebaut. Es folgte die ehemalige UDSSR und deren Nachfolgestaaten. Schnell kam es auch zu Kontakten nach Deutschland und ab 1989 kam es zu einem regen Austausch zwischen Deutschland und den östlichen Ländern. Bis heute hält dieser Kontakt an und führt zu regen Regattabesuchen von östlichen Regattacrews in Deutschland und umgekehrt. Dies führte auch wieder zu einer steigenden Nachfrage nach Micros in Deutschland, denn die russische Ricochet 550 wurde in Deutschland vertrieben und ab 1993 war die von einem polnischen Designer konstruierte Sailart 18 ein Verkaufshit auf dem deutschen Markt.
Weitgehend unabhängig entwickelte sich der Micro in Amerika und Australien. In Brasilien, Argentinien und Chile entstanden ab den 90er Jahre große Flotten von einheimischen Werften, die bis heute als starke Klasse Regatten segeln. In Australien entstand ebenfalls in den 1990er Jahre eine Microflotte, basierend auf den Bauformen der englischen GEM, die ihren Weg nach Brisbane gefunden hatten. Auch in den USA tat sich etwas. Die I550 entstand als billige Selbstbaukonstruktion auf Basis der Micro-Regeln, hat sich aber inzwischen von seinen Wurzeln weg entwickelt zu einem eigenständigen Mini-Sportboot.
Seit den späten 90er Jahren sind die osteuropäischen Micros-Crews auf den WMs kaum noch schlagbar. Ihre schnellen Proto-Konstruktionen bestimmten und bestimmen weiterhin das Geschehen auf den internationalen Regattabahnen weitgehend. Gleichzeitig erschienen auf dem Micromarkt aber auch neue Boote der Kreuzer- und Racer-klasse, wie Jumper, Mosquito oder Micropolka, die im Geschwindigkeitspotential auf Regatten siegfähig wurden und teilweise selbst modernsten Protos Probleme bereiteten. Ihre Höhepunkt fand diese Entwicklung in den 2010er Jahren mit der neu entwickelten Flyer aus Polen, der Silver aus Russland und der Dotan aus Lettland.
In Deutschland stabilisierte sich die Micro-Klasse seit Mitte der 1990er Jahre und wurde immer mehr ins internationale Geschehen eingebunden. Im Jahre 2000 richtete Deutschland das erste Mal eine Micro-WM in Warnemünde aus. Der Micro war inzwischen anerkannte Regattaklasse des Weltseglerverbands (ISAF), sodass nun der Weltcup auch offiziell eine WM war. Aus der vorher eher lokal auf das Saarland, das Rheinland und das Sauerland beschränkten Klasse wurde nach und nach eine über ganz Deutschland agierende Klasse mit über 50 aktiven Crews und durchschnittlich 20 Schiffen in der Rangliste, wovon wiederum 10 Schiffe auch internationale Regatten besuchen.
Im Jahr 2007 richtete Deutschland abermals eine WM innerhalb der Warnemünder Woche aus. Mit 42 Crews aus 9 Ländern. 5 Wettfahrttage mit 12 Wettfahrten verlangten den Teilnehmern alles ab. Der Wind war heftig, die Wellen hoch. Die WM 2010 in Moskau brach alle Melderekorde, 72 Boote aus 11 Nationen und drei Kontinenten waren dabei. Mit dabei waren ab den 2010er Jahren auch wieder Boote aus Spanien, Italien und Großbritannien, wo der Micro eine kleine Renaissance erlebt. Hinzu kommen inzwischen Crews aus den Niederlanden, Belgien, Österreich, Slowakei und Serbien.
2014 war die WM erneut in Deutschland. Diesmal sorgten die Microcupper erneut für ein Novum, denn sie waren die erste ISAF-Klasse, die in Berlin auf dem Wannsee eine WM aussegelten. Der gastgebende SC Gothia, schaffte er perfekt, den 56 Schiffe aus 9 Nationen ein würdige WM zu bieten und bleibt vielen Seglern als eine der besten WMs der Microgeschichte in Erinnerung.
Die Micro-Geschichte wird bestimmt weiter gehen. Erste Interessenten aus Indien und China zeigen Interesse am Micro und in Israel sind auch die ersten Micros heimisch geworden. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.